VENUS ANADYOMENE

 

Die Klangwelt dieser Komposition wurde inspiriert von den besonderen Stimmungen im Roman „Das Holzschiff“ des Schriftstellers, Orgelbauers, Musikverlegers und Schiffbauerssohns Hans Henny Jahnn (1894–1959). Im Stück werden zwei Arten von Materialien verwendet: einerseits synthetische Klänge, welche durch die Live-Convolution eines Rauschens mit unterschiedlichen Oszillatoren erzeugt wurden, zum anderen Aufnahmen einer Kirchenorgel mit verschiedenen Spieltechniken. Neben Geräuschen der mechanischen Traktur, des Pedals und der Register und Koppeln, wurden im Stück vor allem die Ausklänge diverser Cluster und Akkorde (durch Ausschalten des Motors) verwendet.
Die synthetische Klangerzeugung war ein fast organisch anmutendes System, in welchem sich (über ein MIDI-Keyboard angespielt) „Eigenresonanzen“ entwickelten und  das auch „stocken“ und fast „verstopfen“ konnte (hörbar um Minute 4:30). Aus ca. 40 Minuten improvisatorisch erforschten und erzeugten Materials wurden etwa 4 Minuten herausdestilliert und zu Beginn sowie in der Mitte der Komposition verwendet. Dazu wurden mehrere klangliche Transformationen angewandt, darunter FFT-Filterung (um einzelne schmale Frequenzbänder zu extrahieren bzw. andere zu verwerfen), Schnitte und Überblendungen, sowie Spatialisierung des in kleine Fragmente segmentierten Klanges.
Während also das synthetische Material stark bearbeitet wurde, erfuhren die Orgelaufnahmen als Gegenpol keine starken elektronischen Verfremdungen (obwohl sich trotzdem überraschende klangliche Gemeinsamkeiten ergeben), sondern erzeugen allein durch den Kontext und durch Rückwärtsabspielen und Beschleunigung/Verlangsamung eine entrückte Stimmung: Wie wenn gegen Ende des Romans ein auf Beibooten treibender Rest der Besatzung den Untergang ihres Schiffes erlebt: „Das letzte Ringen zwischen Schwimmen und Untergehen vollzog sich langsam. Es war wie eine feierliche Handlung. Die Vernichtung schien Eile im Letzten und Entscheidenden zu verabscheuen.“ (S. 173).

Neben einer Stereo-Abmischung der 29 Ursprungskanäle (für Kopfhörer gedacht) existiert eine ambisonische Fassung (3D, IV. Ordnung), welche für die 21-kanalige Lautsprecheranordnung des Klangtheaters der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien erarbeitet wurde und bei Bedarf auch für andere Wiedergabesysteme adaptiert werden kann.